PETITION GAV ARCHITEKTUR

Julian Salinas: «Unsere Arbeit hat sich rasant entwickelt.»

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Julian Salinas ist selbstständiger Fotograf in Basel. Er ist zudem in der Lehre tätig: Sein Wissen um die Rolle der Fotografie in der Architektur teilt er mit den Studierenden an der Fachhochschule in Muttenz. Salinas Fotografien wirken lebendig, roh —  präzise durchdachte Momentaufnahmen. Lebendiges in das Medium der Fotografie zu bringen, liegt ihm besonders am Herzen. Architektur Basel hat sich mit dem Berufsfotografen in seinem Atelier an der Oslostrasse beim Dreispitz über seinen Blick auf Architektur, seine Lehrtätigkeit, sowie seine Erfahrungen mit Architekturschaffenden unterhalten.

Mehrfamilienhaus Stadtkind, Norma Tollmann Architektin, Basel © Julian Salinas

St. Alban Tor, Buch CMV, Basel© Julian Salinas

Neubau Kunstmuseum Basel, Christ&Gantenbein, Basel © Julian Salinas

Architektur Basel: Lieber Julian, wie nimmst Du die Bedeutung der Fotografie in der Architektur wahr?
Julian Salinas: Die Arbeit der Fotograf:innen, gerade in der Architekturfotografie, hat sich rasant entwickelt und ist heute so zugänglich wie nie zuvor. Dies spüre ich stark bei meiner Arbeit am Institut für Architektur an der FHNW. Die Studierenden, die zu mir in den Kurs kommen, sind bereits ajour in der Fotografie. Heutzutage kann man auch mit dem Smartphone eindrückliche Resultate erzielen. Aber dennoch, gerade in der Architektur, wo soviel gebaut wird, besteht ein wahnsinniges Auftragsvolumen.

Casa Kalman, Luigi Snozzi, Brione © Julian Salinas

Casa Kalman, Luigi Snozzi, Brione © Julian Salinas

Zugänglichkeit – wie können wir uns diese Entwicklung vorstellen?
Sich von der Masse abzuheben durch den eigenen Stil funktioniert nur noch selten. Netzwerk ist heute alles. Früher hat man sein Portfolio vorbeigebracht und den Architekt:innen präsentiert, heute hat jeder das Portfolio auf der eigenen Website. Vor zehn Jahren war man Fachmann —  man hatte das Wissen über die Technik, das Handwerk, das war, was dich ausgemacht hat. Durch die rasante Entwicklung der Digitalisierung wurde dieses Wissen immer mehr verbreitet und zugänglicher — was ja auch gut ist, solange die Qualität nicht leidet. Heutzutage kann man sich schon mit wenig Geld sehr gutes Equipment kaufen und sich über Tutorials ein breites Wissen aneignen. Die Komplexität der Fotografie erlebt einen starken Wandel.

Neues Marthastift, Müller & Naegelin Architekten, Basel © Julian Salinas

Schulhaus Ackermätteli, BarceloBaumannArchitekten, Basel© Julian Salinas

Wie ist die Auftragslage aktuell in der Architekturfotografie?
Um an Aufträge zu kommen, geht es in meinen Augen nicht mehr ums Bild, sondern darum wer du bist, wen du kennst oder wie du dich positionierst. Ich selbst bin durch meine Anstellung an der Fachhochschule an viele Aufträge gekommen. Viele erfolgreiche Architekturfotograf:innen sind selbst Architekt:innen, die Architektur studiert und so auch das Netzwerk haben. Es ist meiner Meinung nach von Vorteil, wenn ein „frischer Blick“ auf ein Projekt geworfen wird. Die fotografischen Resultate werden dann gemeinsam diskutiert. Die Fotografie an sich ist mir nie verleidet, das gilt jedoch nicht für den Markt und gewisse Ansprüche, die heute verlangt werden. Es ist ein Privileg seinen Lebensunterhalt mit Fotografie zu verdienen. Ich selbst fotografiere digital, nur noch selten analog, da es für mich persönlich nicht sinnvoll ist. Als Haltung analog zu fotografieren finde ich bewundernswert! Im Resultat sieht man den Unterschied jedoch (fast) nicht mehr.

Reschenpass © Julian Salinas

Schulanlage Lärchen, Back Simonsen, Münchenstein © Julian Salinas

Was gibst Du den Studierenden mit auf Ihren Weg?
Der Kurs in Muttenz startet analog mit der Camera Obscura. So entsteht ein guter Zugang und es ist erstaunlich, welche Begeisterung das Analoge bei den jungen Leuten auslöst, auch wenn das Resultat nicht besser ist als das digitale – es ist der emotionale Wert. Die Studierenden bekommen beispielsweise die Aufgabe, drei Bilder zu schiessen, danach drucken wir sie und reden unvoreingenommen über die Resultate. Dass man sich bewusst wird, wo hätte ich zum Beispiel eine Linie auf den Horizont setzen können, schärft den Blick und das Bewusstsein, was für ein Bild ich schaffen will. Ich glaube das Bild wird immer wichtig bleiben. Selbst mit künstlicher Intelligenz muss man sich für das passendste Bild entscheiden – dies kann und soll uns nicht abgenommen werden.

Housetowatchthesunset, Not Vital, Tarasp © Julian Salinas

Was ist das Entscheidende für die Wahl des besten Bildes?
Die Stimmung. Intuitiv wählen die Studierenden die Bilder aus, die bei ihnen emotional etwas auslösen. Da kann ich ihnen noch lange sagen, was man technisch hätte besser machen können.

Erzähl uns etwas über Deine selbstständige Arbeit.
Die erste Buchpublikation „Heimatland“, zeigt den Beginn meiner Architekturfotografie. Es geht um urbane Landschaften, in welche ich Personen im Bild inszeniere. Eine Reise durch die Schweiz zu bewusst ausgesuchten Orten. Es gibt Einblick, wie ich gerne Architektur fotografiere: Eine Geschichte wird erzählt. Für das neuste Buch „Chauderon Lausanne“ wollte ich Portraits mit einbinden. Es ist jedoch letztlich ein „typisches“ Architekturbuch geworden. 

Ensemble Chauderon AAA, Lausanne © Julian Salinas

Ensemble Chauderon AAA, Lausanne © Julian Salinas

Was macht dir am meisten Freude?
Der Reiz meines Berufes besteht für mich zu einem grossen Teil darin, dass ich an Orte komme, die ich sonst nicht kennenlernen würde. Seltene Momente mit der Kamera festhalten zu dürfen, das ist ein weiteres Highlight meines Berufsalltages. Ein kleine Anekdote: Ein ehemaliger Student rief mich an und hat mich beauftragt. Da wurde mir bewusst: Ich muss etwas richtig gemacht haben. Das hat mich sehr berührt.

U Bahnhof Onkel Toms Hütte, Berlin © Julian Salinas

Frage zum Schluss: Woran arbeitest Du aktuell?
Ich arbeite an der Dokumentation eines Schulhaus im Umbau in Reinach. Es entstehen architektonische und dokumentarische Bilder. Es ist toll, an einem längerfristigen Projekt arbeiten zu können. Diese Art von Aufträgen gibt es nicht oft. Manchmal führt der Zufall zu einem Job. Man muss mit dem Flow gehen und in seine Arbeit vertrauen haben. Dann kommt es gut.

IWB Basel, Suter+Suter, Basel © Julian Salinas

Vielen Dank Julian für das bereichernde Gespräch.

Interview: Laurence Ziegler / Architektur Basel

 


Mehr Infos zu Julian Salinas:
juliansalinas.ch
js-architekturfotografie.ch

Dies ist der dritte und letzte Teil einer Serie zum Thema Architekturfotografie. Die ersten beiden Interviews sind weiterhin online.

Teil 1: Willem Pab: «Licht ist alles, und ich würde sagen, dass es meine Nerven am meisten strapaziert.»

Teil 2: Barbara Bühler: «Fotografieren ist etwas Eigenständiges.»

 

 

 

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